Wissenswertes über Hanbo Jitsu

Allgemein :


Mit Hanbo-Jitsu wird eine alte okinawanische und japanische Form der Stockverteidigung bezeichnet, in der die Waffen Jo, Hanbo (Schwerpunkt) und Tessen gelehrt werden. Vor allem die Stilrichtung des Kukishin-ryu ist heute bekannt und weit verbreitet. Der Hanbo war auf Okinawa wie auch in Japan in Gebrauch. Er wurde und wird vor allem in der Selbstverteidigung verwendet (siehe Kobudo Waffen).
In Japan findet der Hanbo in vielen Kampfkunstsystemen Verwendung und ergänzt diese. Man verwendet diesen Stock in den verschiedenen Stilrichtungen des Jujutsu und Aikido, sowie in den Systemen des Taijutsu und Ninjutsu. Die Stilrichtung des Kukishin-ryu gehört zum Ninjutsu , und wurde vor allem durch Hatsumi Masaaki, 34. Großmeister des Togakure ryu (Ninjutsu) und 28. Großmeister des Kukishin-ryu (Hanbo-Jitsu), verbreitet.
Auch auf Okinawa wurde diese Waffe zur Selbstverteidigung verwendet, wo er schon vor dem 16. Jahrhundert bekannt und weit verbreitet war. Heute wird er allerdings eher selten noch auf Okinawa geübt.
Folgende Erklärung ist möglich: Als die Samurai der Satsuma Okinawa eroberten, bot der Hanbo keinen ausreichenden Schutz mehr gegen das Samuraischwert. Man konzentrierte sich auf gefährlichere bzw. wirkungsvollere Waffen gegen die Samurai, was zur Folge hatte, das der Hanbo mehr und mehr an Bedeutung verlor. Einige Historiker haben sogar folgende Auffassung: Bei der Unterdrückung des Volkes (Bauern, Handwerker usw.) durch die Samurai wurde der Stock sehr oft zur Bestrafung verwendet. Dadurch entstand eine Abneigung gegen diese Waffe. Sie wurde dadurch immer weniger verwendet wobei sie im Laufe der Zeit an Bedeutung verlor. Wahrscheinlich waren aber mehrere Gründe dafür verantwortlich.
Zum System des Hanbo-Jitsu gehört auch der Tessen, der Eiserne Fächer wurde in früheren Zeiten oft von den Samurai verwendet. War ein Samurai bei jemand zu Gast, war es verboten das Schwert zu ziehen, bzw. es mußte abgelegt werden. Selbst wenn es ein Feind war. Zuwiderhandlungen konnten oft nur durch Harakiri bereinigt werden. Aus diesen Grund benutzten viele Samurai ihren Fächer um sich zu verteidigen, der zur damaligen Zeit meistens mit geführt wurde. Durch die Praxisnähe entstanden im Laufe der Zeit sogar komplette Kampfsysteme mit dem Tessen. So war der Stil des Yagyu-ryu berühmt mit dem Umgang des Tessen.
Viele Beispiele aus der Geschichte sind bekannt. Zwei seinen an dieser Stelle kurz erwähnt:
Der bekannte Samurai Yoshitsune soll den "großen" Bankei, der mit einem Speer angriff, mit einen Tessen besiegt haben. Eine ähnliche Geschichte ist über Ganryu bekannt.
Das System des Hanbo-Jitsu eignet sich gerade in der heutigen Zeit hervorragend zur Selbstverteidigung. Zum einen können mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen die Techniken des Hanbo umgesetzt werden, z.B.: Spazierstock, Regenschirm, Bleistift, Kugelschreiber, Schlüsselbund, Handtasche, Zeitung, Buch, Eßbesteck usw.. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ein Kampfsystem also, das noch genauso aktuell ist wie vor hunderten Jahren. Interessant ist dieses System vor allem auch für Frauen, da mit wenig Kraft eine große Wirkung bei Schlag, Stoß, oder bei einer Hebeltechnik erzielt werden kann. Was entscheidend sein kann: z.B. bei einer Verteidigung gegen einen körperlich überlegenen Mann.
Zum anderen können die heutigen geltenden Gesetze der Notwehr in den meisten Fällen gewahrt werden, da der Hanbo eine effektive Selbstverteidigung ermöglicht und zugleich juristisch betrachtet die Verhältnismäßikeit der Verteidigung eingehalten werden kann. Eine Verteidigung mit einem Messer beispielsweise, bringt immer schwere Verletzungen hervor, sehr schnell werden dabei die Grenzen der Notwehr überschritten.
Es wird hier vor allem auf das System des Kukishin-Ryu näher eingegangen, das in Deutschland vor allem durch Dr. Georg Stiebler (Gründer des Kobudo-Kwai) eingeführt wurde.


Die Techniken:


Das Kukishin-Ryu ist wie folgt aufgebaut:


Die Stellungen (Kamae):

Hira Ichimonji no Kamae: Ausgangsstellung (Shinzen-tai)
Dan Ryoku no Kamae: Eingangsstellung (Dan Ryoku = Spannkraft, Elastizität, Kata)
Dasu no Kamae: Vorwärtsstellung (Zenkutsu dachi)
Dasu tobi no Kamae: eingesprungene Vorwärtsstellung
Yoko no Kamae: seitliche Ausfallstellung
Yoko tobi no Kamae: eingesprungene seitliche Ausfallstellung
Saguru no Kamae: Rückwärtsstellung (Kokutsu dachi)
Saguru tobi no Kamae: eingesprungene Rückwärtsstellung
Ko Sabaki no Kamae: kleine Halbkreisstellung
O Sabaki no Kamae: große Halbkreisstellung
Kake no Kamae: Kreuzstellung
Ryo tobi no Kamae: beidseitige Ausfallstellung


Die Techniken (Seme / Uke : Angriff / Abwehr):

Die Techniken werden unabhängig von Angriffs- und Abwehrtechniken in zwei große Gruppen eingeteilt: Katai und Ju. Unter Katai werden vor allem alle Schlag-, Stoß-, und Drucktechniken, also die sogenannten harten Techniken zusammengefaßt. Zum Bereich Ju werden die weichen Techniken gezählt, wie Hebel,- Würge und Wurftechniken. Eine wirkliche Trennung der beiden Bereiche ist jedoch oft nicht möglich, da der Übergang von hart zu weich und umgekehrt fließend ist, bzw. die Aktionen beides gleichzeitig beinhalten.


Zum Bereich Katai zählen:
Bo Tsuki Kyo (Techniken des Stockstoßes):

  1. Nagai-tsuki = Längsstoß, der Stock wird der Länge nach gestoßen, bzw. die Trefferflächen des Stockes sind die jeweiligen Enden des Stockes. Durch die kleine Fläche kann eine große Wirkung erzielt werden (Atemi).
    Der Längsstoß wird weiter unterteilt nach Arte des Stoßes:
    Kata-te-nagai-tsuki: einarmiger Stoß
    Ryo-te-nagai-tsuki: beidarmiger Stoß
    Eine weitere Unterteilung nach Richtung:
    Mae-nagai-tsuki: Längsstoß nach vorne
    Yoko-nagai-tsuki: Längsstoß zur Seite
    Ushiro-nagai-tsuki: Längsstoß nach hinten
    Mawashi-nagai-tsuki: Längsstoß rund geführt
    Oder die Unterteilung nach Angriffsstufe:
    Jodan-nagai-tsuki: Längsstoß zur oberen Stufe
    Chudan-nagai-tsuki: Längsstoß zur mittleren Stufe
    Gedan-nagai-tsuki: Längsstoß zur unteren Stufe
    Natürlich können die Bezeichnungen kombiniert werden, z.B.: Jodan-kata-te-mae-tsuki usw.
  2. Naname-tsuki = Seitstoß, der Stoß wird mit der Seite des Stockes ausgeführt. Meist stellt dieser Stoß eine Abwehrtechnik dar, aus der heraus sehr leicht eine Folgetechnik, wie z.B. ein Hebel ausgeführt werden kann.
    Auch diese Technik kann weiter unterteilt werden wie etwa nach Art der Haltung:
    Hira-naname-tsuki: Seitstoß waagerecht gehalten
    Kiritsu-naname-tsuki: Seitstoß senkrecht gehalten
    Oder wieder nach Angriffsstufe:
    Jodan-naname-tsuki: Seitstoß zur oberen Stufe usw.
    Oder auch wieder nach der Richtung:
    Mae-naname-tsuki: Seitstoß nach vorne usw.
    Des weiteren können die Bezeichnungen auch wieder kombiniert werden.


Bo Furi Kyo (Techniken des Stockschlages):


Sie werden unterschieden:

  1. nach Art der Ausführung:
    Ryo-te-furi: beidarmiger Schlag
    Kata-te-furi: einarmiger Schlag
    O-furi: großer Schlag (weit ausgeführter Schlag)
    Ko-furi: kleiner Schlag (kurzer Schlag)
  2. nach Zielrichtung:
    Hira-furi: Schlag zur waagerechten
    Kiritsu-furi: Schlag zur senkrechten
    Tate-kiritsu-furi: Schlag von schräg unten zum Körper
    Jodan-kiritsu-furi: Schlag von oben zum Körper
    Jodan-hira-furi: Schlag von der Seite obere Stufe
    Chudan-hira-furi: Schlag von der Seite mittlere Stufe
    Gedan-hira-furi: Schlag von der Seite untere Stufe
    Auch hier können die Bezeichnungen weiter kombiniert werden um ein genaueres Bild der Technik aufzuzeigen.


Bo Kaiten Kyo (Techniken des Stockschwungs):


Die Techniken des Stockschwungs werden in fünf Bereiche unterteilt, wobei es in den einzelnen Bereichen wieder eine große Zahl von Varianten gibt. Diese Techniken sind genau genommen keine Techniken im klassischen Sinne wie z.B. Schlag-, oder Stoßtechnik, sondern dienen vor allem dazu, den Gegner zu verwirren oder einen Griffwechsel zu ermöglichen. Hier nur einige Beispiele:

  1. Yubi-Kaiten = Fingerschwung
  2. Te-Kaiten = Handschwung
    Kata-te-kaiten: Handschwung mit einer Hand
    Ryo-te-kaiten: Handschwung mit beiden Händen
  3. Kansetsu-Kaiten = Gelenkschwung
  4. Ude-Kaiten = Armschwung
    Mae-ude-kaiten: Armschwung nach vorn
    Ushiro-ude-kaiten: Armschwung nach hinten
  5. Tai-Kaiten = Körperschwung
    Jodan-tai-kaiten: Körperschwung um den Kopf
    Chudan-tai-kaiten: Körperschwung um die Körpermitte
    Gedan-tai-kaiten: Körperschwung um die Beine


Bo Katame Kyo (Immobilisationstechniken):


Bei diesen Techniken wird der Gegner am Boden festgehalten, sie stellen in der Regel den Abschluß der Verteidigung dar. Sie sind sehr schmerzhaft, und es soll dabei erreicht werden, den Gegner möglichst bewegungsunfähig zu machen und ihn Zum Aufgeben zu zwingen. Es gibt hier eine große Zahl von Techniken.

Bo Kumi Kyo (Fessel-, und Transporttechniken):

Aus dem Katame-Kyo kann man in die Techniken des Kumi-Kyo übergehen, oder auch direkt nach einer erfolgreichen Verteidigung im Stand (z.B.: ohne Wurftechnik). Mit diesen Techniken kann der Gegner dann transportiert bzw. abgeführt werden. Meistens handelt es sich hier um schmerzhafte Hebel-, oder Würgetechniken. Auch hier gibt es zahlreiche Techniken.

Zum Bereich Ju zählen:
Ukemi Waza (Falltechniken):

Alle Arten von Fallschule. Die verschiedenen Fallübungen werden jeweils mit einen Hanbo ausgeführt.

Mochi Hishigi Waza (Presshebel):

Die verschiedenen Arten von Presshebel werden mit Hanbo oder Tessen ausgeführt. Man unterscheidet einarmige, beidarmige und beidarmig-gekreuzte Presshebel. Diese Hebel stellen eine Besonderheit dar und können am ganzen Körper angewendet werden, z.B. am Hand- oder Fußgelenk, am Hals oder Oberkörper usw.

Tai Kansetsu Waza (Körperhebel):

In diese Gruppe fallen alle Hand-, Arm-, oder Fußhebel die mit dem Hanbo oder mit dem Tessen ausgeführt werden. Durch den Einsatz des Stockes wird hierbei die Wirkung des jeweiligen Hebels um ein vielfaches erhöht.

Nage (Ashi, Koshi) Waza (Würfe):

Ashi waza sind Würfe die in erster Linie mit Hilf der Füße ausgeführt werden. Hierzu zählen alle möglichen Fege-, und Sicheltechniken. Bei den Techniken des Koshi waza wird der Körper (Hüfte) eingesetzt, Beispiel: Hüftwurf.

Shime Waza (Würgetechniken):

Alle Formen der Würgetechniken werden in dieser Gruppe zusammengefaßt. Dies sind zu teil sehr gefährliche Techniken da wie bei den Hebeltechniken große Kräfte Wirken.

Die Kumite:

Die Partnerformen (Chukan : Kontertechniken):
Als Einstieg zu den Kumiteformen werden die Uke-Kumite gelehrt. Diese Uke-Kumite beinhalten die 8 wichtigsten Abwehrtechniken mit den Hanbo gegen einen Fauststoß.
Die Kumite werden dann wie im Kihon in zwei Bereiche aufgegliedert: Katai-Kumite und Ju-Kumite. Die Katai-Kumite befassen sich mit den sogenannten harten karatemäßigen (Schlag, Stoß) Techniken, die Ju-Kumite mit den weichen jitsumäßigen Techniken (Wurf-, Hebeltechniken). Die Kumite mit dem „Tessen“ stellen eine eigene Gruppe dar.

Die Kumite des Hanbo werden außerdem in folgende Formen weiter unterteilt:
Katai-ichi-Kumite: Karatemäßige Abwehr von Faustangriffen
Katai-ni-Kumite: Karatemäßige Abwehr von geraden Fußangriffen
Katai-san-Kumite: Karatemäßige Abwehr von Halbkreis-Fußtritte
Katai-shi-Kumite: Abwehr von 2 Angreifern mit Faustangriffen
Katai-go-Kumite: Abwehr von 2 Angreifern mit Faust- und Fußangriffen
Ju-ichi-Kumite: Jiumäßige Abwehr von Faustangriffen
Ju-ni-Kumite: Jiumäßige Abwehr von Fußangriffen
Ju-san-Kumite: Abwehr gegen Handgelenk- und Stockhalten
Ju-shi-Kumite: Abwehr gegen Reversgriffe und Körperhalten


Die Kata:

Im Hanbo-Jitsu werden folgende Kata geübt (siehe auch unter Kobudo; Kobudo-Kata):
Hanbo Kata Shodan
Hanbo Kata Nidan
Hanbo Kata Sandan
Hanbo Kata Yondan
Hanbo Kata Kaiten
Fudoshin no Sho
Fudoshin no Dai


Alle Kata sind neueren Datums. Das System des Kukishin-Ryu beinhaltete früher keine Kata.

Anmerkung:
Eine alte überlieferte Kata des Okinawa Kobudo im Stil von Meister Inoue zählt nicht zum Kukishin-Ryu. Die Hanbo-Kata mit Namen Sanjaku-Bo hat jedoch große Parallelen zu den Techniken des Muso Shindo Ryu Jodo.

 

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